Mykorrhiza-Impfstoffe
An fast allen Standorten hat die Qualität und Quantität der Mykorrhiza an den Wurzeln stark nachgelassen. Gleichzeitig haben sich die Umweltbedingungen für Pflanzen durch den Klimawandel und die Urbanisierung deutlich verschlechtert, hierdurch wird der Einsatz von Mykorrhiza-Impfstoffen immer bedeutsamer und lohnender.
Das Wichtigste in Kürze
Impfstofftypen
FLL-Qualitätsvorgaben und Baumarten-Listen
Was spricht gegen
Das Wichtigste in Kürze:
- Der Impfstoff gehört in die Nähe der Feinwurzeln.
- Ein einmaliger Mykorrhiza-Einsatz ist in der Regel ausreichend – der Pilz breitet sich dauerhaft und selbständig aus.
- Nach einer Beimpfung mit leistungsfähigen Pilzstämmen findet kein Verdrängen der noch vorhandenen natürlichen Pilzarten statt. Häufig kann beobachtet werden, dass die Artenzahl nach der Vitalisierung der Bäume sogar wieder zunimmt.
- Der ausgewählte Pilzpartner muss in seiner Symbiosefähigkeit zur Pflanze passen.
- Um keine Artenverfälschungen zu bewirken werden nur heimische Pilzarten verwendet.
- Giftpilze oder Pilze mit hohem Allergiepotential werden nicht als Impfstoffe eingesetzt.
- Die Impfstoffdichte muss ausreichend hoch sein, damit die gewünschte Symbiose auch sicher eintritt.
- Der ausgewählte Pilzstamm und die Pilzart sollten eine hohe Leistungsfähigkeit besitzen:
– schnelle Wurzelbesiedlung,
– deutliche Verbesserung der Wasser- und Nährstoffversorgung,
– Konkurrenzstärke gegen Schadorganismen,
– gute Düngerverträglichkeit,
– breiter pH-Wert-Einsatzbereich,
– schnelle und sichere Vermehrbarkeit,
– gute Lagerfähigkeit und Unempfindlichkeit
Impfstofftypen:
Die Beimpfung von Gehölzen mit Waldböden von Standorten der gleichen Baumart war vor mehr als 100 Jahren die erste Methode Bäume am neuen Standort mit Mykorrhizapilzen zu versorgen. Insbesondere, wenn am neuen Standort noch keine oder seit mehreren Jahren keine entsprechenden Gehölze gestanden haben (in Steppengebieten oder oberhalb der Baumgrenze), erzielte man recht gute Erfolge. Auch heute noch findet dies einfache Methode, vor allem in Afrika, Anwendung. Der wesentliche Nachteil ist aber, dass neben den Symbiosepilzen auch Schadorganismen (Nematoden, Hallimasch, Verticillium …) auf diese Weise übertragen werden können.
Larven vom Dickmaulrüssler und andere Wurzelschädlinge können mit Waldboden übertragen werden
Verticillium (hier Sporen unter dem Mikroskop) ist ein gefährlicher Welkeerreger
Fruchtkörperbüschel vom Hallimasch - einer der gefährlichsten Pilze an Bäumen
Hallimasch-befallenen Wurzeln, Leitungsbahnen werden verstopft und das Holz durch eine Weißfäule abgebaut
Nach dem Absterben der Wurzel- oder Stammbereiche zieht sich das Flächenmyzel zu dunklen Rhizomorphen zusammen
Sporenbeimpfungen beschränken sich aus kommerzieller Sicht auf Bauchpilze, nur diese enthalten leicht zu erntende Sporen in ausreichender Menge. Wenn man von einem Steinpilz, einem Perlpilz oder einem Pfifferling einen Liter Sporenmaterial sammeln wollte, würde eine Person hierfür sicherlich einige Wochen/Monate an Zeit aufwenden müssen. Die Kosten für einen solchen Sporen-Impfstoff wären zu hoch. Außerdem sind ausgekeimte Pilzsporen – ohne ausreichende Wasser- und Nahrungszufuhr – nur kurze Zeit überlebensfähig. Wenn nach der Keimung eine längere Trockenperiode beginnt, überleben nur sehr wenige Hyphen. Diese frisch gekeimten Hyphen sind auch noch keine vollständigen Pilze (sie sind haploid, d. h. sie besitzen nur einen halben Satz der Erbinvormation). Erst durch die Verpaarung mit einer zweiten (auch haploiden) Hyphe entsteht ein vollständiger Pilz. Durch die nahezu unendlichen Kombinationsmöglichkeiten kann man keine Aussage über die Leistungsfähigkeit machen. Erfolge lassen sich nicht sicher reproduzieren.
Fruchtkörper vom Kartoffelbovist – im Inneren befinden sich Milliarden von Sporen
Halbierter Fruchtkörper vom Erbsenstreuling – die reifen Sporen befinden sich in der oberen braunen Schicht
Sporenpulver von einem Erbsenstreuling, in Portugal in der Nähe von Eukalyptus-Bäumen gesammelt
Unter sterilen Bedingungen produzierte Impfstoffe vermehren bereits vollständige (diploide) Pilzstämme, deren Leistungen vorher ausgetestet werden können. Über Züchtungen lassen sich viele einzelne Individuen von bestimmten Pilzarten auf bestimmte Leistungsmerkmale hin selektieren. Geeignete Stämme können dauerhaft gehalten werden und in professionellen „Pilzbrutanlagen“ relativ kostengünstig vermehrt werden.
Der wesentliche Nachteil ist aber eine mögliche, oft mit der Kulturdauer zunehmende „Verweichlichung“ der Pilzkulturen durch die stressfreie Bestversorgung während der Anzucht auf sterilisierten Nährböden. In diesem Schlaraffenland können Mykorrhizapilze ihre Symbiosefähigkeit verlieren und dann auf die künstliche Zufuhr von Nährstoffen angewiesen sein. Auch nimmt die Konkurrenzfähigkeit gegenüber Schädlingen und Konkurrenten teilweise erheblich ab.
Von jeder produzierten Mykorrhiza-Charge muss an Testpflanzen die Symbiosefähigkeit überprüft werden. Nur wenn eine schnelle und umfangreiche Besiedlung an den Feinwurzeln nachgewiesen werden kann, sind solche Impfstoffe vermarktungsfähig.
Eine weitere Schwachstelle der „sterilen Impfstoffe“ sind verbleibende Nährstoffreste, diese sind insbesondere für viele Schimmelpilze sehr attraktiv. Dies kann zu einer überaus schnellen Schimmelbesiedlung führen, wobei der Mykorrhizapilz häufig zu Schaden kommt.
Reinkulturen verschiedener Mykorrhizapilze
Steriler Impfstoff – auf hitzebehandeltem Substrat mit Nährstoffzugabe – kann degenerieren
Überprüfung der Impfstoffe auf Symbiosefähigkeit
Bei der Produktion von unsterilen Impfstoffen wird zunächst ähnlich verfahren, wie bei der sterilen Variante. Auch hier können Leistungsfähigkeiten getestet und über Selektionen und Züchtungen verbessert werden. Mit den besten Pilzstämmen wird dann aber nicht unter sterilen Bedingungen weiter gearbeitet, sondern an Jungpflanzen im Gewächshaus. Und zwar findet die Vermehrung hier direkt an den Baumarten statt, an denen die Impfstoffe später auch angewendet werden sollen. Also z. B. der Mykorrhizapilz für Eichen wird auch an Eichen-Jungpflanzen vermehrt. Hierdurch kann sichergestellt werden, dass der Pilz bereits das erforderliche „Werkzeug“ (Enzyme und Botenstoffe) zur Verfügung hat, um die Feinwurzel dieser Baumart besiedeln zu können.
Bei diesem Verfahren lässt sich der Impferfolg und die Besiedlungsgeschwindigkeit direkt ablesen, eine Konkurrenzstärke entwickelt sich, die Impfstoffdichte nimmt immer mehr zu und durch das Kulturverfahren kann die Produktion von erwünschten Dauerorganen (Sklerotien, die über mehrere Jahre überdauern können) drastisch erhöht werden.
Wird dieser sterile Impfstoff von den Jungpflanzen abgeerntet, stehen hierin Hyphen, Rhizomorphen, (Sporen), besiedelte Feinwurzelstücke und eine hohe Anzahl Sklerotien als Infektionsquellen zur Verfügung. Sollte durch eine Dürre ein Teil verloren gehen, besitzt dieser Impfstoff noch weiterhin ein ausreichend hohes infektionspotential.
Weiterer Vorteil ist, dass bereits in der Produktion, zum Mykorrhizapilz und der Pflanze, förderliche Bakterienkulturen zugesetzt werden können. Diese vermehren sich dann zusammen mit der Mykorrhiza und sorgen für eine weitere Optimierung der Leistungsfähigkeit – quasi eine Symbiose im Doppelpack.
Im letzten Produktionsschritt werden die verschiedenen unsterilen Impfstoff an den „passenden“ Jungpflanzen vermehrt
Auswahl verschiedener, intensiv mykorrhizierter Jungpflanzen zur Impfstoffproduktion
Erntereifer Impfstoff aus der Jungpflanzen-Kultur
Bei der Impfstoffproduktion kommt es häufiger auch zur Ausbildung der Pilzfruchtkörper (hier Kartoffelbovist)
Bei dieser Produktionsweise kann schon anhand des Mykorrhizabesatzes in den Pflanzgefäßen eine grobe Abschätzung der Qualität des Impfstoffes erfolgen. Es erfolgen weitere Überprüfungen unter dem Binokular und dem Mikroskop.
Überprüfung der Impfstoffe unter dem Binokular
Feiner Querschnitt durch eine mykorrhizierte Feinwurzel nach Anfärbung mit Trypanblau zeigt die Anzahl von Pilzorganen unter dem Mikroskop
Nachweis der Leistungsfähigkeit für die Nährstoffversorgung der Pflanze durch Überprüfung der Enzymaktivität
Ständige Optimierung des Impfstoffs:
Seit Mitte der 80er Jahre sind zunächst an der Versuchsanstalt für Pilzanbau, dann bei der Gesellschaft für angewandte Mykologie und Umweltstudien mbH und danach von der Mykomax GmbH bis heute fast 1000 Pilzstämme in Kultur genommen oder gezüchtet worden. Nach und nach konnten so für die verschiedenen Baumarten jeweils leistungsfähige Pilzstämme gefunden werden. Für einige Baumarten sind Pilzarten oder-Stämme auch schon verändert worden. Jeweils mit einer Steigerung der Leistungsfähigkeit für die entsprechende Baumart oder bezüglich einer Standortbedingung. Auch das Integrieren leistungsfähiger Bakterienstämme in die Impfstoffproduktion sowie Anpassungen der verwendeten Substratkomponenten haben die Leistungsfähigkeit erhöht und den Impfstoff robuster gemacht.
Neue Impfstoffe für hohe pH-Werte:
In 2019 konnten sowohl Ekto- als auch Endomykorrhiza-Impfstoffe für Laubgehölze durch Selektion entwickelt werden, die bei sehr hohen pH-Werten (über pH 8,0) gut funktionieren. Da solch basische Verhältnisse an vielen städtischen Standorten regelmäßig anzutreffen sind, kann auch in diesen Fällen eine erfolgversprechende Beimpfung stattfinden (siehe auch Unterseite „Mykorrhiza-Impfstoffe“).
Sumpf-Eiche auf Stadtböden mit hohem pH-Wert - die Blätter zeigen eine typische Kalk-Chlorose
Die Qualitätsvorgaben für Mykorrhiza-Impfstoffe der FLL
und die Baumarten-Listen
Im Garten- und Landschaftsbau werden die wesentlichen Fachnormen (unterhalb der DIN-Normen) von der Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung Landschaftsbau e.V. (FLL) erarbeitet. Seit 2004 werden auch Hinweise zu „Anforderungen an Mykorrhiza-Impfstoffe“ gegeben:
An die Mykorrhiza-Impfstoffe sind folgende Anforderungen zu stellen (FLL, 2015):
- Die Auswahl des Mykorrhiza-lnokulums muss sich nach der Symbiosefähigkeit der Gehölzart richten. Da Gehölzarten dazu neigen, nur mit einem eingeschränkten Spektrum von Mykorrhizapilzarten die Symbiose einzugehen, ist hierbei nicht nur zwischen Ekto- und Endemykorrhiza zu unterscheiden, sondern auch die konkrete Pilz-/Gehölz-Symbiosefähigkeit zu beachten;
- Um einer Artenverfälschung der “Pilz-Flora” vorzubeugen, dürfen nur Pilzstämme heimischer Arten verwendet werden;
- Die Impfstoffe sollten nicht auf sterilen Substraten angezogen sein, da der “Übergang” in unsterile Böden oder Substrate unsicher ist. Dies gilt insbesondere, wenn zur Impfstoffproduktion Nährstoffe zugefügt wurden, die für bodenbürtige Schad- oder Konkurrenzorganismen ebenfalls eine Nahrungsquelle darstellen;
- Der Nachweis, dass das lnokulum keine Schädigung des Wurzelsystems durch Schadpilze (z. B. Phytophthora, Rhizoctonia, Fusarium oder Verticillium) verursacht, muss in geeigneter Weise (biologischer Test oder anderes Verfahren) erbracht werden;
- Der Impfstoff muss eine Lagerfähigkeit von mindestens 3 Monaten haben. Die exakte Lagerfähigkeit, die Lagerungsbedingungen sowie das Verfallsdatum sind vom Hersteller anzugeben;
- ln einem geeigneten Test muss der Nachweis erbracht werden, dass bei 1 :50 (Volumenanteile) mit Substrat verdünnte Impfstoffe die angegebenen Pflanzenarten infizieren;
- Der Impfstoff muss mit folgenden Angaben gekennzeichnet werden: Adresse des lnverkehrbringers, Lagerungshinweise, Verfallsdatum, Anwendungshinweise und Dosierung sowie Sicherheitshinweise.
Für Endomykorrhiza-Impfstoffe gilt ergänzend:
- Im Test nach TROUVELOT und im Succinatdehydrogenase-Reaktions-Test müssen mindestens 50 % vitale Arbuskeln erreicht werden. Mindestens 50 % der vitalen Arbuskeln müssen Phosphatase-aktiv sein. Die Tests sind an den Zielpflanzen durchzuführen.
Unsere Impfstoffe erfüllen oder übertreffen die FLL-Anforderungen!
Was spricht gegen Dünger und Substrate mit Mykorrhiza-Beimengungen und gegen Mischprodukte?
Dünger und Substrate sind keine Impfstoffe! Die enthaltenen Pilzanteile sind viel zu gering. Bei ordnungsgemäßer Anwendung kann nicht mit einer Mykorrhizierung gerechnet werden.
Schauen Sie sich die Kostendifferenz zwischen Düngern mit und ohne Mykorrhiza-Beimengungen an – bei einem 25 kg Sack hochwertiger Dünger sind dies maximal 10,- €. Dafür kann niemand ernsthaft erwarten dass die Anwendungsfläche (z.B. 240 m² Beetfläche) neben der Düngung auch gleichzeitig mit Mykorrhiza-Pilzen versorgt werden könnte. In den meisten Düngern fehlen 80 -98 % der eigentlich erforderlichen Impfstoffmenge.
Und: Für welche Pflanzen sind denn die geeigneten Mykorrhizapilze enthalten? Werden Ekto- oder Endomykorrhizen benötigt? Für Laubgehölze oder für Nadelgehölze? Wollen Sie Gräser oder Gehölze beimpfen oder handelt es sich um Rhododendren oder Ericaceen? Wenn ein solcher Dünger dies alles können soll, müssten 4 bis 8 dafür geeignete Pilze in der entsprechenden Menge enthalten sein.
Aus gutem Grund bietet kein Düngerhersteller so etwas an.
Ein guter Vergleich wäre ein Kunde, der die Beimpfung der Eichen oder Hasel für seine Trüffelplantage mit Trüffel-Leberwurst versucht – auch dies ist zum Scheitern verurteilt.
Dünger mit Mykorrhiza sollten nicht mit Mykorrhiza-Impfstoffen gleichgesetzt werden, der Pilzanteil ist viel zu gering
Ähnlich verhält es sich mit beimpften Substraten. Wenn z. B. in einer Stadt eine Baumpflanzung in Pflanzgrubenbauweise erfolgt (s. FLL – Baumpflanzung Teil 2, 2010) sollten pro Baum 12 m³ Substrat eingebaut werden. Auch hier ist die Impfstoffdichte in allen am Markt erhältlichen mykorrhizierten Substraten viel zu gering. Wenn man den Impfstoffanteil aus den 12 m³ heraus sammeln würde und dann direkt an oder in die Nähe der Feinwurzeln geben würde, könnte die Beimpfung gelingen, wenn die Baumart und der Impfstoff zu einander passen würde. Auch in den Subtraten müssten dann wieder 4 bis 8 geeignete Pilzarten enthalten sein.
Wenn die Mykorrhiza auf 12 m³ verteilt wird, durchdringen die Feinwurzeln innerhalb der ersten Vegetationsperiode nur etwa 2 – 10 % des Substrates. Bei einer Haltbarkeit von 4 Monaten bis 12 Monaten dürften fast immer deutlich mehr als 90 % der infektiösen Bestandteile gar nicht rechtzeitig erreicht werden.
Füllen Sie Ihr Esszimmer mit Salz auf, um sonntags Ihr Frühstücks-Ei zu würzen?